Herz-Kreislauf-Medikamente haben häufig Nebenwirkungen. Diese durch den Umstieg auf alternative, pflanzliche Mittel zu vermeiden ist jedoch grundsätzlich wenig sinnvoll – und sogar gefährlich.
Seit es die Schulmedizin mit ihrem evidenzbasierten Ansatz gibt, beharken sich Schul- und Alternativmediziner in ausdauernden Debatten darüber, welche Denkungsart den Patienten am meisten Vorteile bringt. Wenn ein Heilkraut seit Jahrhunderten als hilfreich empfunden und eingesetzt wird, jedoch in wissenschaftlich fundierten Studien keinen oder kaum messbaren Nutzen bringt – wie soll man als Patient mit solchen Informationen umgehen? Ist die Wissenschaft auf dem Holzweg, oder werden die Menschen über Generationen hinweg von einem Placebo-Effekt in die Irre geführt? Und wenn es sich um Placebo-Effekte handelt, spricht das dann gegen die betreffenden Mittel?
Solche Fragen treiben viele Patienten um. Dass diese von verschiedenen Seiten mit höchst widersprüchlichen Aussagen konfrontiert werden, macht die Sache nicht einfacher. Das gilt auch auf dem Gebiet der Herzmedizin.
Hier ist allerdings besondere Vorsicht geboten, denn schnell kann das Leben des Patienten auf dem Spiel stehen. Sich auf ungeprüfte pflanzliche Alternativen zu den bewährten Medikamenten zu verlassen, stellt ein gefährliches Vabanquespiel dar. „Wissenschaftliche Standards wurden nicht ohne Grund entwickelt. Sie stellen sicher, dass die behauptete Wirksamkeit und Unbedenklichkeit medizinischer Mittel auch tatsächlich gegeben sind. Die Aussagekraft anekdotischer ‚Belege‘ ist dagegen gleich null“, erläutert der Herzspezialist Dr. Patrick Darb-Esfahani, der in Berlin-Friedenau praktiziert. „Selbst wenn bei einer Person nach Einnahme eines Alternativmittels eine Heilung eingetreten ist, muss hier keine Ursache-Wirkung-Beziehung vorliegen. Für derartige Prozesse ist immer ein komplexes Wirkungsgeflecht verantwortlich, das bei jedem Patienten einzigartig ist. Grundsätzliche Aussagen zur Wirksamkeit eines Heilmittels können daher nur größere, kontrollierte Studien liefern.“
Ergänzung: vielleicht – Ersatz: nein!
Viele herzmedizinische Medikamente bringen das Risiko von Nebenwirkungen mit sich. Dass manche Patienten dann mit einer Alternative liebäugeln, die keinerlei Nebenwirkungen, aber die volle Heilwirkung verspricht, ist verständlich. Dr. Darb-Esfahani warnt jedoch: „Kein verantwortungsvoller Mediziner verschreibt ein Medikament mit Nebenwirkungen, wenn es auch ein vergleichbar effektives ohne Nebenwirkungen gibt. Schließlich haben wir das Gesamtwohl der Patienten im Blick, nicht einzelne kardiologische Messwerte. Zu den gängigen Herzmedikamenten gibt es aber keine pflanzlichen Alternativen, die ebenso gut wirken.“
Lediglich als Ergänzung einer Therapie können pflanzliche Heilmittel sinnvoll sein, wobei der Übergang vom (herz)gesunden Nahrungsmittel zum Heilmittel fließend ist. Auf keinen Fall sollten Patienten aber ein verordnetes Medikament ab- und durch ein pflanzliches Mittel ersetzen, ohne sich ärztlichen Rat dazu eingeholt zu haben. Denn mit dem Herz-Gefäß-System sollte man keine Experimente treiben.